Made in China – Unser Besuch in der Textilfabrik

Made in China – Unser Besuch in der Textilfabrik

2008 hatten wir die Gelegenheit, uns in Hongkong und China umzusehen und dort auch eine Produktionsstätte für hochwertige Damenoberbekleidung zu besichtigen. Mit einer  Freundin, die in Hongkong lebt und dort für eine deutsche Modefirma arbeitet, waren wir unterwegs.
Ihre Aufgabe als Qualitätsmanagerin war, die Produktion zu überwachen und sicherzustellen, dass die Textilien „Made in China“ nach den deutschen Anforderungen gefertigt werden. An diesem Tag waren wir zur Endkontrolle von fünf Styles für die Sommerkollektion 2009 vor Ort.

Nachdem wir mit der S-Bahn von Hongkong nach China gefahren sind, mussten wir dort die Grenze passieren, mit Ausweiskontrollen, Visum-Stempeln lassen und strengem Blick der Grenzbeamten. Auf einem Parkplatz war Treffpunkt mit Fahrer, Factory-Manager und Assistent und zu fünft fuhren wir zur Produktionsstätte. Ohne Fahrer wäre man völlig hilflos, selbst dieser benötigte ein Navigationssystem, allerdings natürlich in Chinesisch. Die Fahrt durch Shenzen dauerte ca. eine Stunde, eine riesige Stadt, die sich über viele Kilometer erstreckt, mit 12 Mio. Einwohnern. Für einen gewöhnlichen Europäer sind das gigantische Ausmaße, die einem den Atem rauben. Uns hat das sehr abgeschreckt, alles sieht gleich aus und ist zu immer gleichen Wohnblocks und riesigen Hochhäusern zubetoniert, quadratisch und zweckmäßig. Es kam uns vor, als führen wir auf einem Blatt Karopapier spazieren.

Unvorstellbar, wie dort so viele Menschen leben können. Und jeder benötigt etwas zu Essen, Wasser, ein Dach über dem Kopf, ein Handy, einen Fernseher….da fragten wir uns, wo das alles hergestellt wird und wieviele Ressourcen dafür verbraucht werden.

Irgendwann erreichten wir die Fabrik, ein gesichtsloses lang gezogenes graues Gebäude – es herrschte Hinterhofatmosphäre, denn alles wirkte verwahrlost und lieblos.

Als wir den Nähsaal betraten, schauten uns ca. 70 junge Chinesen und Chinesinnen verstohlen und neugierig an, eine 1,80m große Europäerin bekommen sie nicht alle Tage zu Gesicht. Die Chinesen saßen an Nähmaschinen und jeder nähte ein anderes Teil, aber alle hatten den gleichen Stoff in den Fingern.

Im Nebenraum wurde gebügelt, diese Tätigkeit wurde nur von Männern ausgeführt, da die Bügeleisen schwer sind und die Kleidungsstücke oft hängend gebügelt werden. Da Männer meist größer sind als Frauen, war das in der Produktion deren Domäne. Das Finishing, also Fäden abschneiden und verwahren machten nur Frauen. Außerdem gab es noch das Packaging, wo die einzelnen Teile in Plastikhüllen verpackt und damit versandfertig gemacht wurden.

In einem weiteren Raum wurde der Stoff zugeschnitten und die Schnitteile markiert und nummeriert.

Zwei Chinesen legten lange Vlies-Bahnen händisch aufeinander.

Im Flur saßen zwei Frauen und verpackten Ersatzknöpfe in kleine Tütchen, die mit dem Kleidungsstück mitgeliefert wurden.

Zwar war die Arbeitsumgebung sehr zweckmäßig und nicht besonders ansprechend, aber bei Dingen, die das Leben effizienter und leichter machen, waren die Chinesen sofort dabei. So gab es am Eingang einen elektronischen ID-Kartenleser und jeder Arbeiter hatte eine Karte umhängen. Pünktlich um 12 Uhr mittags standen alle auf, checkten aus und gingen in ihre Unterkünfte hinter dem Fabrikgebäude, um Mittagspause zu machen.

Während der Mittagspause fragten wir den Factory-Manager, ob wir in der Fabrik fotografieren dürfen. Er willigte ein und freute sich, dass wir neugierig sind und Interesse haben. Eine Frau führte uns später durch die ganze Produktion, zeigte uns, wie Knöpfe angenäht und Säume erstellt werden oder wo Ölflecken von den Nähmaschinen aus dem Textil ausgereinigt werden. Sehr interessant, wie das alles gefertigt wird. Wir dürfen überall genau hinschauen und die Dame hat Spaß an unseren Fragen und unserem Staunen.

Generell empfanden wir die Arbeitsatmosphäre als konzentriert und geschäftig, aber angenehm: es wurde geredet und gekichert und da Männer und Frauen nebeneinander und miteinander arbeiteten, gab es immer wieder Gelegenheiten, dem Nachbarn Witze zu erzählen und mit ihm zu scherzen. Im Hintergrund lief ein Radio, manche hörten ihre eigene Musik per MP3-Player und Kopfhörer.

Wir hatten nicht den Eindruck, dass die Menschen leiden oder unterdrückt sind; sie wurden in dieses System in dieser Umgebung geboren und kannten nichts anderes. Die Leute waren froh, überhaupt eine Arbeit zu haben, denn sie wollen ja arbeiten. Leben ist Arbeiten, nur wer Geld verdient, kann seinen Lebensstandard halten oder erhöhen.

Die Aufgabe unserer Freundin als Qualitätsmanagerin war, 5 Kollektionsteile zu überprüfen. Mit Maßband und Datenblatt ausgestattet vermaß sie Blazer, Kleider, Röcke und Hosen und überprüfte, ob die vorgegebenen Maße eingehalten wurden. Da Chinesen sich eine europäische Damengröße 46 nur schwerlich vorstellen können, gab es bei den großen Größen immer wieder Grund, genau nachzumessen und alles zu überprüfen, damit später die Reklamationen beim Verkauf gering gehalten wurden.

Außerdem wurde geschaut, ob der richtige Stoff verwendet, der vorgegebene Schnitt eingehalten wurde und alle Verzierungen, Knöpfe, Labels, Etiketten etc. ordnungsgemäß am Kleidungsstück angebracht worden sind. Auf das gesamte Erscheinungsbild des Kleidungsstückes wurde Wert gelegt. Da dieses später einer gehobenen Käuferschicht angeboten wurde, durfte kein Fehler am Textil sein.

Da die Arbeiter für jedes zu fertigende Kleidungsstück einen neuen Schnitt erstellten und damit das Rad jedes Mal neu erfanden, gab es auch jede Saison die gleichen Probleme bei Schnitten und Passform. Es wurde komplett ohne PC gearbeitet und alles von Hand erstellt. Die Menge der Schnitte wurde interessanterweise nicht archiviert und aufbewahrt. Es gab also in der Fabrik keine Lernkurve und aus den Erfahrungen der letzten Jahre wurden keine Erkenntnisse in zukünftigen Produktionen eingebracht. Ein Vorgehen, welches jedem Europäer die Haare zu Berge stehen lässt. Und was den Besuch eines europäischen „Inspectors“, also Qualitätsmanagers jedes Mal erforderlich machte.

Insgesamt hat uns der Besuch den Horizont doch sehr erweitert und wir verstehe nun, wie die Chinesen arbeiten und wie ein „Made in China“ zustandekommt. Bei Sonder-und Eigenproduktionen ist es also erforderlich, immer mal wieder persönlich vor Ort zu sein und dafür zu sorgen, dass nach Vorgabe gearbeitet wird.




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